Stimmt das? Kann man ein Kind „verweichlichen“? Ist es wirklich gut „sie auch mal schreien zu lassen“?
Ich habe oft von verschiedensten Menschentypen solche Sprüche gehört. „Geh nicht gleich hin, wenn er schreit“, „tröste ihn nicht zu sehr“, „Betuddel ihn nicht so, der wird ja sonst verweichlicht und kein richtiger Mann!“ ,“lobe ihn nicht ständig“
Wie denkt ihr darüber? Kann man einem Kind wirklich zu viel Trost geben? Hat ein Kind jemals zu viel Aufmerksamkeit und Nähe bekommen von seinen Eltern?
Mich machen solche Äußerungen wütend, besonders wenn sie von Menschen kommen die keine Kinder haben. Und noch mehr macht es mich wütend oder viel mehr entsetzt es mich, wenn es sich dabei um Babys in den ersten Lebensmonaten handelt. Um kleine Wesen die abhängig sind vom Schutz und der Wärme seiner Eltern. Die nicht wissen, dass sie ein eigenes Individuum sind. Sie können weder etwas berechnen, noch können sie sich wehren oder adäquat mit all ihren Emotionen umgehen.
Es gab Zeiten da wurde das sicherlich so gemacht, die Kinder schreien lassen, die Kinder mit harter Hand führen. „Ihnen auch mal einen Klaps geben“ und ich zweifle die Aussage dazu, „es hat ihnen ja nicht geschadet“ sehr an.
Ich denke, dass auf Kinder immer mehr Druck ausgeübt wird. Sei es Leistungsdruck, Abwesenheit der Eltern (durch welche Gründe auch immer) oder Überforderung von Eltern. Kindern wird viel zugemutet und abverlangt. In einer immer schnelleren Gesellschaft mit immer höheren Anforderungen an uns Menschen.
Die Vergangenheit wird oft idealisiert.. aber war es damals wirklich besser?
Werden die Kinder dieser Generation wirklich zu Narzissten, Tyrannen oder emotionslosen Egoisten, weil man ihnen zu viel Beachtung gibt? Sie zu sehr und zu oft für eine gute Leistung lobt? Soll es ernsthaft Kindern schaden, wenn man ihnen Liebe und Aufmerksamkeit schenkt? und soll das der Grund sein, dass die Eltern sie dann nicht mehr „im Griff „haben?
Eltern sind in dieser Gesellschaft extremen Druck, Vorurteilen und auch Verurteilungen ausgesetzt. Mütter sollen alles perfekt unter den Hut bekommen und glänzen als Super-Mami. Sie sollte möglichst neben ihren Kindern und Hausfraulichen Tätigkeiten, einer Vollzeit- Stelle nachgehen, immer gut aussehen, eine funktionierende Ehe führen und ihre Kinder anständig erziehen, dass diese sich gut in die Gesellschaft fügen „sich gut benehmen“. Gut angepasst sind. Unter den Voraussetzungen besuchen allerdings die meisten Kinder mindestens 9h eine Kita und sind von Ihren Eltern getrennt.
Geben die Eltern dann nicht 100 % im Job und haben „zu viele“ Ausfälle, beispielsweise durch Krankheit, steigt der Druck auf die Eltern und automatisch auf deren Kinder immer mehr.
Ist das wirklich richtig so? Sollten Kinder nicht Kinder sein dürfen und Eltern weniger perfekt? Sollten wir nicht jede Sekunde mit ihnen teilen, ihnen die Welt erklären, mit ihnen auf Entdeckungsreise gehen, ihnen unsere Werte mitgeben und sie begleiten bei allen Schritten die sie tun, welche sie gleichzeitig immer schneller größer werden lassen? Oder sie nur zu versorgen und sonst dem Leistungs- und Anerkennungsdruck erliegen ?Natürlich brauchen Kinder Grenzen, müssen lernen zu warten und Selbstständig zu sein. Aber wie viel von allem ist gut?
Was wünschen Sie sich persönlich von den Eltern?
In unserer heutigen Zeit ist es immer schwerer Eltern zu sein. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Ein wichtiger Grund ist die Gesellschaft, in der wir leben. Wir werden permanent mit Negativnachrichten überhäuft und einer Informationsflut, die uns unfähig macht, herauszufinden, was gut und was schlecht ist. Ich wünsche mir, dass Eltern einen Weg finden, zu sich und zur Ruhe zu kommen. Erst dann können sie auch wieder sehen, dass es ein Geschenk ist, Kinder zu haben. Eltern sollen sich frei machen von dem inneren Stress, noch dies und jenes machen zu müssen. Sie sollten sich ganz bewusst Zeit nehmen und diese mit ihren Kindern verbringen. Sie sollten sich auch ganz bewusst vor Aktionismus schützen und vor Elektronik. Eltern sollten sich einfach entscheiden, am Abend weder mit dem Telefon noch mit Fernseher oder Computer zu hantieren. Sie sollten eine innere Stabilität und einen Sinn finden, um sagen zu können, „ich kümmere mich jetzt ganz bewusst um meine Kinder“, damit diese die Möglichkeit haben, sich gesund zu entwickeln.
Mit Michael Winterhoff sprach Jana Zeh
Eine wahre Aussage und Apell an uns Eltern vom Autor Michael Winterhoff, Autor vom umstrittenen Bestseller „warum unsere Kinder Tyrannen werden“